zu: UMGEHUNG DER ANAHLTSPUNKTE

Klaus F. Schneiders Gedichte lehnen sowohl den prestigeträchtigen Grandseigneur-Gestus des diplomatischen Korps der internationalen Poesie als auch das Repertoire des Unangepassten ab, ohne auf stur experimentelle Unbefangenheit oder selbstreferentiellen Impressionismus zu setzen. Die, obgleich sehr persönliche, distanzierte Erlebens- und Betrachtungsweise ist geprägt vom Bewusstsein eines ästhetisch ausgereizten Zeitalters und der Undifferenziertheit der öffentlich gehandelten Erfolgsmodelle. Der daraus resultierenden Einsicht vielfältiger poetischer Unmöglichkeiten sind weder sarkastische noch resigantive Zwischentöne fremd:
die sprachmarionette / bewegt sich / im sternbild der zwillinge

Ihre Spannung beziehen die Gedichte dieses Bandes aus der Abstimmung von Präzision und Sinnlichkeit, klanglicher Phrasierung des poetischen Gedankens sowie irritierenden Brechungen oder Erweiterungen der Zeilenanordnung, die eine eigene Architektur des Gedichttextes zur Folge haben:
aneinandergereihte versprechen / der gültigkeit / aufeinander folgender baustile / von fachwerk durchbrochen

Neben einer unverhohlenen Skepsis in Bezug auf die Kurswerte dominierender Lyrikprogramme, nebst einander ablösende Poetikmodelle mit dem Anspruch exklusiver Gültigkeit, stehen frappierende Bilder:
sekunden / lange tautologie / flocken schmelzen / auf erfrorenen blüten

Bei Prießnitz heißt es: „dichtung ist im wesentlichen eine form von erfahrung,
die über ihre eigene mitteillungsfähigkeit reflektiert.“
In ihren stärksten Momenten entfalten diese Gedichte, jenseits aller semantischen
Bedingtheit, einen Sog ins Irrationale: wie ein tanz / ein gestörter tanz.
Sie changieren zwischen der Sprache unserer Vorstellungen
und unseren Vorstellungen von Sprache.